Gewinnen lernen 5: Was kann das Läuferpaar?

von Jan Markos
04.04.2024 – Das Läuferpaar kann eine mächtige Waffe sein. Wenn man weiß, was man mit den Läufern anfangen kann. In der fünften Folge seiner Serie "Gewinnen lernen" zeigt GM Jan Markos, wie man die mächtige Waffe des Läuferpaars nutzen kann.

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Es gibt Menschen, die den wahren Wert der Dinge nicht zu schätzen wissen. Sie schütten Cola in teure Weine, verderben gutes Essen mit Unmengen von Salz und Pfeffer, essen im Kino Popcorn und reden dabei und halten bei Konzerten gerne ein Nicken, wobei sie dabei nicht selten auch noch schnarchen. Diese Menschen wissen, dass gute Weine, Konzerte und das Essen in schicken Restaurants ein Erlebnis sein soll, aber sie wissen absolut nicht, warum. Sie können diese Dinge einfach nicht genießen.

Vielen Schachspielern geht es ähnlich: Sie können strategische Vorteile nicht wirklich gut nutzen. Sie wissen, dass es gut ist, das Zentrum zu kontrollieren oder Raumvorteil zu haben, aber sie wissen oft nicht, was sie mit diesen Vorteilen machen sollen.

Ein schlagendes Beispiel hierfür ist der Vorteil des Läuferpaars. Die meisten Schachspieler wissen nicht, was sie mit einem Läuferpaar anfangen sollen. Das ist eine immer wiederkehrende Erfahrung in meiner Karriere als Trainer: Jeder weiß, dass ein Läuferpaar gut ist, aber fast niemand weiß, was er damit anfangen soll.

Und wir reden hier nicht nur von Amateuren. Selbst Titelträger haben mit diesem strategischen Konzept oft massive Probleme.

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Schauen Sie sich das folgende Beispiel an:

Pacher-Bobula, Slowakische Mannschaftsmeisterschaft 2009, Weiß am Zug:

Milan Pacher, der hier Weiß hatte, wurde in dem Jahr, in dem diese Partie gespielt wurde, IM. Mittlerweile ist er Großmeister und ist im Angriff außergewöhnlich stark. Aber dennoch hat er in der Diagrammstellung nicht gut gespielt:

16.f4?

Warum ist das ein schlechter Zug? Nun, wenn man das Läuferpaar hat, dann spielt man gegen einen Springer. Ihre wichtigste Aufgabe besteht darin, diesem Springer gute Zentralfelder zu nehmen. Das bedeutet, dass man sehr vorsichtig sein sollte, wo man seine Bauern hinzieht, um Felderschwächen in der eigenen Stellung zu vermeiden, die der gegnerische Springer ausnützen könnte.

Aber Pachers Überlegungen gingen wahrscheinlich in eine andere Richtung. Da er das Läuferpaar hat, hat er wahrscheinlich geglaubt, er müsste "aktiv" werden. Und ist deshalb mit seinem f-Bauern vorgerückt.

Aber das ist falsch. Wenn Sie das Läuferpaar haben, besteht kein Grund zur Eile. In der Regel wird das Läuferpaar stärker, je länger die Partie dauert. Eine lange Partie heißt Abtausch und das heißt leeres Brett, und auf einem leeren Brett sind zwei Läufer deutlich stärker als Läufer und Springer.

Deshalb würde ein erfahrener GM einen Zug mit dem Turm oder einen Zug wie 16.a4 machen.

Die Partie ging weiter mit:

 16…c5! 17.c4?! (17.dxc5 ist besser, obwohl Schwarz ein Tempo gewinnt, da der weiße König nach f2-f4 geschwächt ist.) 17…Sf6 18.Lc3 Tfd8 19.d5 Le7 20.Tfe1 Kf8

Der verfehlte Aktionismus des Weißen hat ihn in eine unangenehme Lage gebracht: Sein Zentrum ist anfällig. Trotzdem hätte Weiß hier mit 21.Lxf6 immer noch ungefähren Ausgleich haben können. Aber Pacher hat weiter geglaubt, dass er das Läuferpaar behalten und aktiv spielen sollte. Er zog 21.Tad1?! und opferte den Bauern auf d5 für nicht vorhandenes Gegenspiel. Schwarz gewann in 44 Zügen.

Hier die vollständige Partie:

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Aber wie sollte man vorgehen, wenn man das Läuferpaar hat? Wir haben bereits zwei Dinge gesehen, die man nicht tun sollte: Man sollte nichts überstürzen und die Bauernstruktur nicht unvorsichtig verändern. Schauen wir uns zwei weitere Maximen an.

In der Regel sollte man seine Bauern auf die Felder der Farbe des gegnerischen Läufers stellen. Das heißt, wenn man mit dem Läuferpaar gegen einen Springer und den weißfeldrigen Läufer spielt, dann sollte man seine Bauern auf weiße Felder stellen. Warum? Nun, aus zwei Gründen: 1) Man möchte den Läufer des Gegners einschränken und 2) falls der weißfeldrige Läufer einmal getauscht werden sollte, dann möchte man mit dem "guten" Läufer gegen den Springer spielen.

Mit dieser Regel im Hinterkopf sollten Sie keine Schwierigkeiten haben, herauszufinden, was Kramnik in der folgenden Stellung ziehen sollte:

Kramnik-Tiviakov, Wijk aan Zee 2001, Weiß am Zug:

Der Ex-Weltmeister hatte die Wahl: Sollte er den schwarzfeldrigen Läufer eingesperrt lassen oder sollte er ihm Raum geben, auch wenn er damit die Reichweite seines weißfeldrigen Kollegen einschränken würde? Wenn man die oben erläuterte Regel kennt, dann ist die Antwort auf diese Frage leicht. Kramnik spielte 15.c4! Tfe8 16.d5!, was der weißfeldrige Läufer des Schwarzen sicher nicht gern gesehen hat.

Hier die vollständige Partie:

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Der zweite Rat, wie man mit dem Läuferpaar spielt, ist wesentlich komplexer.

Wenn Sie das Läuferpaar haben, dann gibt es mindestens zwei Szenarien, die Ihr Gegner vermeiden möchte. Erstens möchte er nicht, dass sich die Stellung öffnet. Zweitens will er seine Bauern nicht auf die Farbe seines Läufers stellen, da dann die Felder der anderen Farbe zu schwach wären.

Wenn Ihrem Gegner ein Läufer fehlt, wird er sich oft gegen einen Bauernzug entscheiden, der mit seinen beiden Läufern auf dem Brett vollkommen gut und normal wäre. Und das können Sie ausnutzen, um Raum zu gewinnen.

Wenn Sie Raum gewinnen, hat ihr Gegner oft nur die Wahl zwischen zwei Übeln: 1) Er lässt den Raumgewinn zu und akzeptiert eine beengte Stellung oder 2) er lässt den Raumgewinn nicht zu, aber muss dann entweder seinen eigenen Läufer schlecht stellen oder zulassen, dass sich die Stellung öffnet, wovon Ihre Läufer profitieren.

Das folgende Beispiel illustriert diese Prinzipien sehr gut:

Fischer – Ibrahimoglu, Siegen 1970, Weiß am Zug:

Die weißen Läufer scheinen untätig und nicht sehr wertvoll zu sein. Aber dieser Eindruck täuscht. Fischer möchte Raum am Damenflügel gewinnen, und Schwarz hat Probleme, darauf eine adäquate Antwort zu finden.

Beachten Sie bitte, dass der scheinbar natürliche Zug 12.f4?! etwas zu direkt ist. Nach 12…e5 13.f5 Lh6! wird klar, dass Weiß etliche der in diesem Artikel dargelegten Regeln verletzt und seine Aufgabe damit erschwert hat.

Fischer spielte 12.a4 und nach 12…Tad8 13.Sb3 musste sich Schwarz entscheiden. Sollte er a4-a5 und Le3 zulassen, wonach sein gesamter Damenflügel unter Druck gerät? Oder sollte er versuchen, diesen Plan zu verhindern? Ibrahimoglu hat sich für die zweite Möglichkeit entschieden:

13…b6 14.Le3 c5 15.a5 e5 16.Sd2 Se8 17.axb6 axb6

Schwarz konnte vermeiden, erdrückt zu werden. Der Preis, den er dafür zahlte, war jedoch zu hoch. Sein Läufer ist sehr passiv und die weißen Felder in seinem Lager sind extrem schwach. Weiß steht klar besser.

Fischer spielte 18.Sb1! und gewann eine schöne Partie.

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Wenn Sie das nächste Mal in den Genuss des Läuferpaares kommen, nutzen Sie ihn mit Bedacht. Denken Sie daran:

  1. Schwächen in der Bauernstruktur zu schaffen, kann den Vorteil kosten, da ein sicher stehender zentralisierter Springer den Vorteil des Läuferpaar in der Regel aufwiegt.
  2. Geduld! Ihre Zeit wird kommen, wenn sich das Brett allmählich leert.
  3. Stellen Sie Ihre Bauern auf die Felder der Farbe des gegnerischen Läufers, um seine Möglichkeiten einzuschränken.
  4. Denken Sie daran, dass Sie mit dem Läuferpaar oft Raum gewinnen können, da Ihr Gegner sehr vorsichtig sein muss, wo er seine Bauern hinzieht.

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Jan Markos ist ein slowakischer Schachautor, Trainer und Großmeister. Sein Buch "Under the Surface" wurde 2018 vom Englischen Schachverband zum Buch des Jahres gewählt. Sein neuestes Buch, "The Secret Ingredient", das er zusammen mit David Navara geschrieben hat, konzentriert sich auf die praktischen Aspekte des Schachs, z.B. Zeitmanagement am Brett oder Vorbereitung auf einen bestimmten Gegner. Markos war vor zwanzig Jahren U16-Europameister und jetzt verhilft er seinen Schülern aus mehreren Ländern zu ähnlichen Erfolgen. Neben Schachbüchern hat er auch Bücher über kritisches Denken, moralische Dilemmata und Phänomenologie geschrieben.
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