WM in San Luis: Zwischenbilanz nach vier Runden

von ChessBase
02.10.2005 – Die ersten vier Runden der Weltmeisterschaft in San Luis sind gespielt, und bislang hält dieses Turnier, was es versprochen hat. Ja, mehr als das. Bislang gab es wenig Remis, ganz wenig schnelle Remis, dafür aber dramatische und kampfbetonte Partien. Im Vorfeld wurde die Weltmeisterschaft in San Luis oft mit dem AVRO-Turnier 1938 oder dem Weltmeisterschaftsturnier Moskau - Den Haag 1948 verglichen. Aber während damals Schachzeitungen die Partien und Ergebnisse erst Wochen nach dem Turnier veröffentlichen konnten, kann der Schachfan von heute die Partien live am Computer verfolgen. Da heute, Sonntag, jedoch Ruhetag ist, bietet sich eine gute Gelegenheit für eine Zwischenbilanz der ersten vier Runden. Natürlich ist noch alles offen, aber eines lässt sich jetzt schon sagen: Wer die WM in San Luis nicht verfolgt, verpasst ein spannendes Turnier und eine großartige Schachshow. Offizielle WM-Seite...Partien der Runden 1 bis 4...Zur Zwischenbilanz...

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Tabelle



Vor dem Turnier waren sich die Experten einig: Anand, Topalov oder Leko - einer dieser drei wird der neue Weltmeister. Eine in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Schach veröffentlichte Umfrage sah dabei Anand als deutlichen Favoriten. Schaut man sich die Tabelle nach der vierten Runde an, so kann man sagen, dass von diesen drei nur Topalov mit seinem Spiel und seinem Ergebnis zufrieden sein kann. Nach einem glücklichen Sieg in der 1. Runde gegen Leko verpasste er gegen Anand in der 2. Runde zwar mehrfach den Sieg, aber das brachte ihn nicht aus dem Rhythmus - im Gegenteil: Mit klaren Siegen gegen Morozevich und Adams in den Runden 3 und 4 demonstrierte er gute Form und Entschlossenheit und ist eindeutig in die Favoritenrolle geschlüpft.


Topalov konzentriert sich darauf, die Tabellenspitze zu übernehmen

Auf Platz zwei der Tabelle steht Peter Swidler. Nach zwei ruhigen Auftaktremisen folgte ein überraschend klarer Sieg gegen Peter Leko und ein umkämpfter Gewinn gegen Morozevich. Eine gute Ausgangsposition, um den anderen Favoriten ebenfalls ein Bein zu stellen. Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich am Montag, denn dann kommt es zur Spitzenpaarung Svidler gegen Topalov.


Morozevich gibt auf und Svidler gewinnt die zweite Partie in Folge

Für Anand hing der Himmel nach der dritten Runde voller Geigen. Am Tag zuvor hatte er sich gegen Topalov knapp ins Remis gerettet und dann Michael Adams mit einer zehn Jahre alten Neuerung, die er bei der Vorbereitung auf einen Wettkampf gegen Kamsky entdeckt hatte, vom Brett gefegt. Die bislang vielleicht spektakulärste Partie in San Luis. Die Ernüchterung folgte am vierten Tag. Der Außenseiter Kasimdshanov konterte Anands scharfes und riskantes Spiel und fügte ihm eine bittere Niederlage zu. Plötzlich hat Anand einen Punkt Rückstand auf Topalov und am Montag gegen Leko wird sich zeigen, wie gut er die Niederlage gegen Kasimdshanov verdaut hat.


Anand bei der Pressekonferenz nach seinem Sieg gegen Adams


Vor der Partie gegen Kasimdshanov


Anand bei der Pressekonferenz nach der Partie gegen Kasimdshanov

Kasimdshanov jedoch gab dieser Sieg Auftrieb. Anstatt wie von vielen erwartet nach der Niederlage gegen Polgar in der dritten Runde ins Trudeln zu kommen, hat er sich wieder gefangen und steht mit 2 aus 4 besser da, als viele vorhergesagt haben.


Wie geht's weiter?

Für Peter Leko hätte das Turnier kaum schlimmer beginnen können: Nach nicht einmal zwanzig Zügen stand er gegen Mitfavorit Topalov in der ersten Runde auf Gewinn, verlor dann aber doch noch. Mit Weiß. Dann folgte eine weitere Weißpartie und eine weitere vergebene Chance gegen Morozevich. In Runde drei schließlich eine chancenlose Niederlage gegen Svidler. Nach nur drei Runden schienen alle WM-Träume ausgeträumt. Aber sein überzeugender Sieg gegen Judit Polgar könnte andeuten, dass er sich wieder gefangen hat. Dann ist trotz seines verkorksten Beginns noch alles möglich - aber viel Spielraum hat er nicht mehr, wenn er doch noch Weltmeister werden möchte.


Peter Leko: Rückkehr zur Form?

Um so bitterer war die Niederlage gegen Leko für Judit Polgar. Nach einer Auftaktniederlage gegen Anand und einem mühsamen Remis gegen Adams hatte sie mit einem spektakulären Sieg gegen Kasimdshanov wieder fünfzig Prozent erreicht, nur um nach der Niederlage gegen Leko in die untere Tabellenhälfte abzurutschen. Am Montag spielt sie gegen Morozevich, der zwei Partien in Folge verloren hat und einen halben Punkt hinter ihr liegt. Beide wollen natürlich den Negativtrend aufhalten und nicht verlieren.


Judit Polgar nach ihrem Sieg gegen Kasimdshanov


Judit Polgar und Peter Leko nach ihrer Partie in der 4. Runde
(Foto: Carlos Ilardo)

Michael Adams wird froh sein, dass der Ruhetag gekommen ist. Nach der verheerenden Niederlage gegen Anand wirkte der sonst so coole Engländer sichtlich angeschlagen. Dann folgte eine weitere Demontage durch Topalov und auf einmal hatte sich ein mit zwei Remispartien halbwegs vernünftiger Turnierauftakt in ein Desaster verwandelt. Am Montag hat er gegen Kasimdshanov die Chance, Boden gut zu machen.


Michael Adams nach der Niederlage gegen Anand

Ganz und gar enttäuschend verlief das Turnier bislang für Alexander Morozevich. Von seinen gefürchteten und bewunderten originellen Einfällen war bislang wenig zu sehen. Gegen Kasimdshanov schlitterte er nur knapp an einer Niederlage vorbei, gegen Leko stand er ebenfalls gefährdet, gegen Topalov bot er nach 12. Zügen mit Weiß Remis an, um dann nach einer schlappen Eröffnung allmählich in eine Verluststellung zu gleiten und gegen Svidler verdarb er eine aussichtsreiche Stellung noch zum Verlust. All das deutet auf eine gewisse Befangenheit hin. Wenn er die ablegen kann, findet er sicher zur alten Originalität zurück und kann jedem gefährlich werden.


Alexander Morozevich

Eines steht jedenfalls schon fest: Die ersten vier Runden hatten es in sich und boten kämpferisches und interessantes Schach. Die Zuschauer können sich auf die nächsten Runden freuen.


Das Publikum verfolgt das Geschehen...


...auf den Monitoren.

Die nächsten Runden:

Runde 5 - 03/10
Michael Adams vs. Rustam Kasimdzhanov
Judit Polgar vs. Alexander Morozevich
Vishwanathan Anand vs. Peter Leko
Peter Svidler vs. Veselin Topalov

Runde 6 - 04/10
Rustam Kasimdzhanov vs. Peter Leko
Michael Adams vs. Alexander Morozevich
Judit Polgar vs. Veselin Topalov
Vishwanathan Anand vs. Peter Svidler

Runde 7 - 05/10
Veselin Topalov vs Rustam Kasimdzhanov
Peter Leko vs. Michael Adams
Alexander Morozevich vs. Vishwanathan Anand
Peter Svidler vs. Judit Polgar

Runde 8 - 06/10
Rustam Kasimdzhanov vs. Alexander Morozevich
Michael Adams vs. Peter Svidler
Vishwanathan Anand vs. Judit Polgar
Veselin Topalov vs. Peter Leko

Runde 9 - 08/10
Judit Polgar vs. Michael Adams
Vishwanathan Anand vs. Veselin Topalov
Alexander Morozevich vs. Peter Leko
Peter Svidler vs. Rustam Kasimdzhanov

Runde 10 - 09/10
Rustam Kasimdzhanov vs. Judit Polgar
Michael Adams vs. Vishwanathan Anand
Veselin Topalov vs. Alexander Morozevich
Peter Leko vs. Peter Svidler

Runde 11 - 10/10
Michael Adams vs. Veselin Topalov
Peter Svidler vs. Alexander Morozevich
Vishwanathan Anand vs. Rustam Kasimdzhanov
Judit Polgar vs. Peter Leko

Runde 12 - 11/10
Rustam Kasimdzhanov vs. Michael Adams
Veselin Topalov vs. Peter Svidler
Peter Leko vs. Vishwanathan Anand
Alexander Morozevich vs. Judit Polgar

Runde 13 - 13/10
Rustam Kasimdzhanov vs. Veselin Topalov
Michael Adams vs. Peter Leko
Judit Polgar vs. Peter Svidler
Vishwanathan Anand vs. Alexander Morozevich

Runde 14 - 14/10
Veselin Topalov vs. Judit Polgar
Peter Leko vs. Rustam Kasimdzhanov
Alexander Morozevich vs. Michael Adams
Peter Svidler vs. Vishwanathan Anand

(Fotos, wenn nicht anders angegeben: World Chess Championship Press)

Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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