Schachturnier und Schachcafé

von ChessBase
01.01.2009 – Der Name Groningen weckt Erinnerungen an große Schachereignisse. 1946 fand hier das erste große Turnier nach dem Zweiten Weltkrieg statt und auch heute spielt Schach im Leben der Stadt eine Rolle. Dafür sorgen unter anderem das traditionelle Groninger Turnier und das Café Atlantis, das ganz auf Schach ausgerichtet ist. Dieses Jahr fand das 45. Groningen Open statt. Sieger nach Wertung war der georgische GM Merab Gagunashvili. Er holte 7 Punkte aus 9 Runden, genau wie IM Robin Swinkels und GM Arkadi Rotstein. Dejan Bojkov berichtet. Turnierseite...Zum Bericht...

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Die Tradition kehrt nach Groningen zurück
Von GM Dejan Bojkov


Wer nahm 1946 an der Staunton-Weltmeisterschaft in Groningen teil? Wo fand das Turnier statt? Welcher Teilnehmer von damals ist noch am Leben und aktiv? Dies sind Fragen, die einem bei einem Quiz im Café Atlantis in Groningen gestellt werden. Sie finden die Antworten weiter unten, aber ich möchte Sie noch um etwas Geduld bitten. Und zwar wegen des 45. Groningen Opens. "Wir wollen die 50 erreichen", erklärte Organisator Jan Colly in seiner Eröffnungsansprache.

"Das Turnier hat schlechte und gute Zeiten gesehen", erzählte mir der starke holländische Großmeister Ervin L'Ami, den ich bei meiner Reise nach Groningen im Zug getroffen hatte. L'Ami, Mitglied der holländischen Olympiamannschaft, war nach einer produktiven Trainingssession mit V. Chuchelov auf dem Weg nach Hause. "Die letzten paar Jahre waren nicht so erfolgreich wie die Neunziger Jahre, in denen mehr als 500 Spieler an dem Turnier teilgenommen haben. Aber die Tradition lebt wieder auf", fährt L'Ami fort. Dieses Jahr gelang es den Organisatoren, das A-Turnier noch stärker zu machen.

9 GMs nahmen teil, genau wie viele starke, junge und hoffnungsvolle Talente. Es gibt auch ein B-Turnier, ein Kompakt-Turnier (das erst am 26. Dezember angefangen hat). Im Zug höre ich, wie ein junges Mädchen erklärt, dass sie am nächsten Tag Schach spielen wird. Seltsam, wie klein die Welt ist, sage ich mir - ich sollte dieses Mädchen kennen. Ich schaue mich um, entdecke aber keine bekannten Gesichter. Am nächsten Tag erkenne ich eins der Gesichter, die ich im Zug gesehen habe, wieder - es gehört Carla Heredia Serrano und sie kommt aus Ekuador angereist!

Spieler aus 14 Nationen nehmen am A-Turnier teil. Am Bahnhof in Groningen treffe ich auch noch Yochanan Afek aus Israel. Wir teilen uns ein Taxi und unterhalten uns über das Schach in Holland. "Ich weiß, dass Du ein Teil des Jahres in Holland lebst. Warum?" frage ich den IM. "Ich musste irgendeinen Ort finden, an dem ich alt werden kann. Und ich habe festgestellt, dass Holland dafür das beste Schachland ist!"

Das Schmuckstück des Schachfestivals ist der Wettkampf zwischen den beiden Jans - dem amtierenden holländischen Meister Jan Smeets und dem Sieger der kürzlich ausgetragenen EU-Meisterschaft, Jan Werle.


Jan Werle

Werle studiert an der Universität Groningen. Jan verbringt seine freie Zeit damit, die Partien zu verfolgen und seine Freundin zu unterstützen. "Ich habe mich auf den Wettkampf vorbereitet. Das ist nicht nur ein Prestigekampf, sondern es geht auch um Elo-Punkte, weshalb ich hier vor heimischer Kulisse wirklich gerne gewinnen möchte." In der ersten Partie kam es zu einem kompromisslosen Kampf, in dem Werle eine Figur für zwei Bauern opferte, aber Smeets verteidigte sich gut und die Partie endete schließlich remis. Partien zwei und drei endeten ebenfalls Remis, aber mit dem Gewinn der vierten Partie sicherte sich Smeets den Wettkampfsieg.


Gewann den Wettkampf 2,5:1,5: Jan Smeets

Jan Colly erzählt mir, dass in den nächsten fünf Jahren fünf weitere Wettkämpfe stattfinden werden. Natürlich mit anderen Gegnern, aber die Unterstützung durch die Universität von Groningen ist bereits gesichert.

Die Organisation ist in allen Bereichen ausgezeichnet. Auf jedes Detail wird geachtet. Der Raum ist groß, es gibt genug Platz für die Zuschauer und Luft für die Spieler, einen Analyseraum (eigentlich einen Saal), einen speziellen Besucherraum, ein tägliches Bulletin, professionelle Fotografen, etc.

Wenn wir über das Turnier in Groningen sprechen, dann können wir das berühmte Café Atlantis nicht übergehen. Am 21. Dezember feierte es dritten Geburtstag. Der Besitzer des Cafés ist Bern Van der Marel, ein engagierter Schachfan und guter Schachkomponist. Zudem ist er Sponsor des Atlantis Rundenturnier im Sommer, an dem teilzunehmen ich schon zwei Mal das Vergnügen hatte. In dem ausgezeichneten Café kann man nicht nur Schach, sondern auch andere Spiele wie Darts, Karten usw. spielen. Man kann Blitz spielen, am Studiensimultan teilnehmen, versuchen, das Schachquiz zu lösen oder am AfterChess mit IM Hans Böhm teilnehmen. Wenn ich mir vorstelle, wie das Café de la Regénce früher ausgesehen hat, dann habe ich das Café Atlantis vor Augen.

Ich werfe einen Blick in das holländische Buch über das erste Turnier in Groningen, das 1946 stattgefunden hat und das erste Schachturnier nach dem Zweiten Weltkrieg war. Autor des Buches ist der fünfte Weltmeister Max Euwe.


Max Euwe: Mathematikprofessor, Schachlehrer, Buchautor - und äußerst populär.

Dann fallen mir Geschichten vom Turnier ein: Wie Alexander Kotov seinen Landsmann Botvinnik geschlagen hat und Euwe später in der Schlussrunde gestoppt hat und wie er vom Publikum Robin Hood getauft wurde, weil er die Stärksten schlug und den Schwächsten Punkte gab (Kotov landete am Ende auf einem bescheidenen zehnten Platz), und wie Mikhail Botvinnik ein hoffnungslos aussehendes Turmendspiel gegen Max Euwe retten konnte - eine Partie, die er als entscheidend für den gesamten Weltmeisterschaftszyklus 1948 angesehen hat - und wie man entschied, ein Wettkampfturnier um die Weltmeisterschaft zwischen den fünf besten Spielern auszutragen.


Mikhail Botvinnik: Sieger in Groningen 1946

Im Café höre ich neue Geschichten über das Festival in Groningen. Fünfzig Jahre später, 1996, treffen sich die sieben noch lebenden Großmeister, die 1946 schon dabei waren, erneut, um ein Gedenkturnier zu spielen. Bei der Abschlussfeier dankte Miguel Najdorf den Organisatoren im Namen der Spieler über die Gelegenheit, seine alten Rivalen wiederzutreffen und fügte hinzu, es wäre nicht schlecht gewesen, wenn sie das Turnier stattdessen zum 25. Geburtstag gespielt hätten.

Der neun Jahre alte Fritz Rietman hatte damals gerade erst angefangen, die Najdorf-Variante zu spielen, und als seine Mutter hörte, dass Don Miguel in Groningen war, bat sie ihn, eine Partie mit ihrem Sohn zu spielen. Najdorf hatte Weiß und nach 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cd4 4.Sd4 Sf6 5.Sc3 verfiel Fritz in tiefes Nachdenken. "Ich hatte Angst, die Eröffnung zu spielen, die der alte Großmeister geprägt hatte. Womöglich würde er zornig werden, wenn ich etwas falsch machte … eigentlich wollte ich schon abweichen und den Drachen spielen (den ich damals auch gespielt habe). Aber nach langem Zögern entschied ich mich schließlich zu 5…a6. Najdorf "stellte" später ein paar Figuren ein und ließ mich gewinnen. "Du hast eine sehr gute Eröffnung gespielt", lautete sein Kommentar am Ende der Partie."

Wir kommen zu der Antwort auf unsere Frage vom Anfang - der einzige noch lebende Spieler des Staunton-Turniers von 1946 ist Vassily Smyslov.


Bis ins hohe Alter aktiv: Vassily Smyslov

Das Turnier fand genau im gleichen kleinen Harmoniesaal in der Universität von Groningen statt. Zwanzig Spieler nahmen an dem Turnier teil, und am Ende gewann Botvinnik mit 14,5 Punkten, gefolgt von Euwe, der einen halben Punkt weniger hatte. Dritter wurde Smyslov.

Hier zum Abschluss zwei weitere Fragen aus dem Quiz:

1.) Wie ist die folgende Stellung zu bewerten?



2.) Was ist das indische Motiv?

Antworten: 1) Weiß gewinnt - Autor unbekannt. 1.h4 Kc7 2.h5 Kb6 3.h6 Ka5 4.h7 a6 5.h8S! b6 6.Sg6 fxg6 7.f7 g5 8.f8S! g4 9.Se6 9.Sg6 g3 10.Se5 g2 11.Sc6# 9...g3 10.Sd8 g2 11.Sc6# 11.Sb7# 1-0

2) Das indische Motiv wurde nach einem englischen Komponisten benannt, der 1845 in einer indischen Zeitung ein Schachproblem mit diesem Motiv veröffentlichte. Die Gewinnidee besteht darin, eine seiner eigenen Figuren Patt zu setzen.

Loveday, H. - Das indische Motiv


Matt in 4, 1845.

1.Kb2 b4 2.Lc1 b5 3.Td2 Kf4 4.Td4# 1-0

Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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