Halbzeit beim Zeeland-Open in Vlissingen

Einige Überraschungen ab Runde 3

Nachdem ich in den Jahren 2007 (damals gewann ein noch sehr junger und ambitionierter 14,5-jähriger IM mit italienischer Flagge auf dem Brettschild namens Fabiano Caruana) bis 2014 jährlich in Vlissingen beim HZ Open (Hochschule Zeeland) mitspielte und ich mich danach in den folgenden Sommern anderen, für mich neuen Turnieren zuwandte, hatte ich dieses Jahr noch einmal Lust, nach langjähriger Pause in Vlissingen mitzuspielen. Verbunden mit einem gemeinsamen Sommer-Urlaub mit den Eltern in Zoutelande pendelte ich täglich mit dem Auto zum 13 km entfernten Vlissingen um Schach zu spielen und Fotoimpressionen zu sammeln.

Das Zeeland-Open feiert dieses Jahr sein 25-jähriges Jubiläum. Ausrichtungsort ist unverändert die sehr schöne und offene Aula der Hochschule Zeeland, etwas außerhalb vom Stadtkern Vlissingens gelegen. Das Konzept (maximal 250 Teilnehmer, eine Hand voll GM, 9 Runden, nur an einem Tag eine Doppelrunde, Partien Abends, Liveübertragung der Spitzenbretter) ist zu früheren Zeiten unverändert und auch die Sponsoren und handelnden Personen sind mehr oder weniger gleich.

Eingangsbereich

Turniersaal

Bei der diesjährigen Auflage war der niederländische frühere Spitzenspieler GM Loek van Wely Nummer 1 der Setzliste. Er hatte zuletzt vor 4 Jahren in Vlissingen beim Open gespielt und freute sich auf ein schönes Turnier. Die üblichen "Wiederholungstäter" GM Michal Krasenkow (Sieger der Jahre 2013 und 2014) sowie GM Vyacheslav Ikonnikov sowie einige weitere Titelträger wie z.B. IM Migchiel De Jong oder FM Arno Bezemer waren mit am Start. Ganz spontan und kurzfristig kam ein weiterer Turniersieg-Aspirant dazu. GM Daniel Dardha aus Belgien verlor vor wenigen Tagen beim Weltcup in Baku gegen GM Vincent Keymer und entschloss sich kurzerhand einen Nachtflug zu nehmen und über Polen nach Vlissingen anzureisen, um rechtzeitig zum Turnierbeginn vor Ort zu sein.

Der Lokalmatador IM Koen Leenhouts wurde vor Turnierbeginn geehrt, da er nach Erfüllung aller Normen in Kürze den GM-Titel verliehen bekommt und der erste GM aus der Provinz Zeeland ist.

Aus 15 Ländern waren Spieler in Vlissingen am Start. Auch aus Deutschland war ein großes Spielerkontingent mit 19 Teilnehmern vor Ort. Nominell stärkster Spieler aus Deutschland ist der junge IM  Jakob Pfreundt vor drei FM.

Neben dem Veranstalter in Person von Hans Groffen, Haupt-Schiedsrichter IA  Bart De Vogelaere sprachen auch der Vorsitzende der Schachvereinigung Zeeland sowie als Ehrengast die seit Ende 2020 amtierende Präsidenten der niederländischen Schachföderation WGM Bianca de Jong-Muhren Grußworte und starteten das Turnier mit üblichem Geläut eines Glöckchens.

Bianca de Jong-Muhren

Zum Turnierverlauf der ersten 5 Runden:

Die erste Runde brachte erwartungsgemäß an den vorderen Brettern noch keine überraschenden Ergebnisse. Lediglich an Tisch 17 gab IM Migchiel de Jong gegen einen 1800er Spieler ein remis ab. Auch die Runde 2 verlief recht eindeutig zu Gunsten der favorisierten Spieler. Aber bereits in Runde 3 strauchelte GM Loek van Wely am Spitzenbrett mit einer Niederlage gegen den jungen deutschen FM Tobias Voege. GM Daniel Dardha kam an Brett 3 gegen FM Arno Bezemer nicht über ein Remis hinaus. Die Schlussstellung ist vielleicht sogar leicht bzw. klar besser für den FM zu werten. In der 4. Runde gab an Tisch 1 der armenische Großmeister Samvel Ter-Sahakyan gegen IM Nick Maatman seinen ersten halben Punkt ab. Größte Überraschung an den Livebrettern war an Brett 3 der souverän vorgetragene Weiß-Sieg von IM Jakob Pfreundt gegen Turnierveteran GM Michael Krasenkow aus Polen.

Der zweite Turnierveteran GM Vyacheslav Ikonnikov gab an Brett 6 gegen den jungen Niederländer William Gijsen (Erstrundengegner des Berichterstatters) nach einem Turmendspiel einen halben Punkt ab. FM Tobias Voege zeigte sich weiter gut in Form und erreichte gegen „Noch-IM und Bald GM“) Koen Leenhouts ein Remis. In Runde 5 zur Halbzeit trafen an Tisch 1 die beiden bis dahin verlustpunktfreien jungen niederländischen Großmeister Casper Schoppen und Liam Vrolijk aufeinander. Diese Partie endete schnell mit einer Punkteteilung. An Brett zwei traf IM Jakob Pfreundt (auch bis dahin bei voller Punktausbeute) auf den jungen belgischen GM Daniel Dardha (mit einem halben Punkt weniger). Die Partie war recht lang, in einem Schwerfigurenendspiel, nach Damentausch Doppelturmendspiel konnte sich der GM letztendlich aufgrund seines gefährlichen Freibauern im Zentrum durchsetzen. Der zweite junge Deutsche an den Livebrettern, FM Tobias Voege, verlor an Brett 8 gegen IM Nick Maatmann. Während sich die weiteren GM mehr oder weniger klar gegen nominell schwächere Spieler an den Livebrettern durchsetzen konnten, tat sich die Nummer 1 der Setzliste, GM Loek van Wely, weiter schwer. Nach zwischenzeitlich sehr ungünstigem Materialverhältnis für ihn, rettete er sich mit dem Motiv „Festung“ im Endspiel in ein Remis. Nach der Runde gibt es also keinen Spieler mehr mit voller Punktausbeute, dafür gleich 8 Spieler mit 4,5 aus 5, sodass zu diesem Zeitpunkt völlig offen ist, wer am Ende das Open gewinnen wird. Loek van Wely mit 3,5 Punkten müsste schon alle verbleibenden Partien gewinnen, um auf die in den letzten Jahren zum Turniersieg erforderlichen 7,5 aus 9 zu kommen und auf eine gute Zweitwertung hoffen. Aktuell scheint aufgrund seiner Form eher Daniel Dardha mein Favorit für den Turniersieg zu sein. Die beiden jungen deutschen Spieler IM Pfreundt und FM Voege liegen mit 4 bzw. 3,5 Punkten auf den Plätzen 9 und 24. Es bleibt auf jeden Fall weiter spannend.

Tabelle nach Runde 5

233 Teilnehmer

Partien

Turnierseite